Freitag, 12. März 2010

Atemlos

Sie begann zu tanzen. Wie früher, als sie wie von Zauberhand getrieben, ohne Gedanken an andere, einfach in ihren bunten Kleidern durch die Welt getanzt war. Damals hatte sie noch an der Hand ihres Vaters getanzt. Mit jedem Schritt versuchte sie zu schweben, sprang und hüpfte, drehte sich und wollte diese große, starke Hand nie loslassen. 
Und nun tanzte sie wieder. Doch diesmal alleine. Sie drehte sich im Kreis, begann ihre Arme wie eine Ballerina dem Körper anzupassen, sanfte Bewegungen auf die Welt zaubern, mit geschlossenen Augen die Anmut spüren. Ihr Körper wurde gefangen von der Musik, von der Melodie, die sie über ihren iPod in ihre Ohren gespielt bekam. Und mit einem Mal musste sie lächeln. Leicht wiegte sie sich hin und sprang, streckte ihre Beine und bewegte ihren Körper mit einer Kraft, die sie schon lange nicht mehr in sich gespürt hatte. Sie roch das Gras, sie spürte die Luft und die Melodie beflügelte sie. Fast schien es als würde sie fliegen können, der Welt entschweben. 
Aufbrechen. 

Das war eine schöne Zeit, als Papa sie mitnahm. Er lächelte wenn sie tanzte und applaudierte wenn sie vor Müdigkeit ruhiger wurde oder nicht mehr konnte. Eines Tages brachte er ihr ein Buch mit, in dem viele Bilder von Ballerinas waren. "Eines Tages", sagte sie, "werde ich auch eine Tänzerin werden." Ihr Vater lächelte, gab ihr einen Kuss auf die Stirn und wünschte ihr eine gute Nacht.
Als sie die Augen öffnete, sah sie rund um sich das satte Grün der Bäume, die Holzbänke, von denen aus die alten Leute auf sie starrten. Doch schon drehte sie sich wieder im Kreis, bewegt von der Melodie. Keine Blicke blieben wirklich an ihr haften, sie entwand sich ihnen und tanzte auf ihnen herum. Sie tanzte mit ihnen und zog die Neugierde der Leute an. 
Ihr Vater hatte ihre Hand irgendwann los gelassen, sie gebeten ruhig zu gehen und nicht so zu ziehen. Nach ein paar weiteren Sprüngen und Drehungen wurde er direkter und hielt ihre kleine Hand ganz fest und erklärte ihr, dass sie nun alt genug sei und wie Erwachsene gehen soll. 
An diesem Tag wurde sie älter.

Die Luft brannte in ihren Lungen. Ihr Körper war diesen Kontrollverlust nicht gewohnt. Sie schüttelte den Kopf. Ihr Herz pochte und ihre Beine ließen sie ihre Muskeln spüren. Das Blut rauschte durch ihren Körper und schwarze Punkte tanzten vor ihren Augen. Schwindel überkam sie. Niemals sollte dieser Zustand sie wieder zum Gehen zwingen. Kurzerhand nahm sie ihren Rucksack wieder in die Hand und beschloss dass sie ab jetzt wieder tanzend durchs Leben gehen würde.


(Foto: http://data48.sevenload.com/p1/slcom/ij/bw/irronke/yqvzlgirtolh.jpg~/Tanzen-im-Park.jpg)

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