Donnerstag, 21. Juni 2012

Umzug

Ich ordne mein Leben in Boxen. Am Montag habe ich spontan begonnen. Montag, weil es der Beginn der Woche ist, Zeit etwas neues zu starten. Einen Schritt zu machen. In die Zukunft. Als ich die Augen aufschlug wusste ich, dass es Zeit war. Einfach so, als wäre der Gedanken schon die ganze Nacht auf meiner Brust gesessen. 
Mit einem schwarzen Stift beschrifte ich die Kisten. Dick, fett und eindringlich. Man soll sehen, wohin meine Schätze gehören. Wo ich sie haben will. Für alle sichtbar an einem Platz, an dem man nicht vorbei sehen kann oder ganz für mich in Laden, Kästen oder unter dem Bett. Manche Dinge sollen mich erinnern, mich mahnen, vielleicht sogar berühren. Sie hängen, stehen oder liegen im Blickfeld. Ich kann nicht an ihnen vorbei, also darf es auch kein Anderer. Sprechen wir darüber. Bis ich sie wegräume oder ersetze oder sie hängen, stehen oder liegen lasse und sie übersehe. Darüber hinwegsehe. 
Ich staple gewissenhaft alles zusammen. Platz machen für Neues und doch kommt viel von dem Alten mit. Es gibt kein neues Leben ohne alten Erinnerungen, Erfahrungen und Erlebtem. Selbst neue Gedanken sind geleitet. Und der Stapel wird immer größer. Wir prägen uns selbst, leiten uns und gehen unseren Weg in ein neu benanntes Leben. Jeden Tag. Schritt für Schritt. Manchmal fühle ich mich erdrückt von all den Boxen, dann kann ich eine vergessen oder verschenke sie. 
Ich ordnete mein Leben in Boxen. Nichts halte ich mehr in der Hand. Außer dem Schlüssel. Dem Schlüssel ins nächste Leben.

Montag, 26. September 2011

Gedenken

Sang- und klanglos ist sie verschwunden. Aus den Augen, aus dem Sinn. Nicht einmal die örtlichen Bezirksblätter haben berichtet. Sie war wohl nicht laut und ereignisreich genug, nicht so aufdringlich wie andere oder so zurückhaltend, dass man sich um jede Information reißt, damit man sich einreden könnte man kennt sie. Sie ist einfach sie selbst gewesen und somit so still und unauffällig wie ihr Verschwinden.
Sie war grazil und hat sich gekonnt durchs Leben bewegt. Sie ist getanzt, von Stein zu Stein, mit jedem Schritt ihrem Ziel entgegen. Oft hat sie Pausen eingelegt um zu sehen wie das Leben sie bespielt hat, welche Melodien und Bewegungen, welche Bilder und Töne gefangen wurden und sie geprägt haben, bevor man sie verstand. Kaum hat sie gelebt, hat sie verstanden, musste sie gehen. Sang- und klanglos.

Donnerstag, 3. Februar 2011

Lebenslang

Ich lasse kaltes Wasser über meinen Kopf plätschern. Fröstelnd bemerke ich wie ich mich selbst bestrafe. Schon wieder denke ich an dich, dabei wollte ich dich doch ziehen lassen. Und immer wieder kehrst du ein, bestellst neue Erinnerungen, aufgewärmte Gefühle und lässt mich im graublauen Dunst des Unverständnisses zurück. So viel hast du mir gelassen von dir, dass ich seit Jahren an diesen Bildern, meiner Dummheit und meiner Naivität, deiner Unfehlbarkeit und unsereren ins Telefon gehauchten Wörter und Gedanken zehre. Sie verwerte. Sie bewerte. Und entwerte.
Ich drehe den Wasserhahn auf rot, lasse die Wärme auf mich einströmen, mich durchfließen und beginne mich wohl zu fühlen. Ich bin gewachsen und erwachsen geworden. Ich kann dich abstreifen und mich im Spiegel ansehen ohne mich zu fragen wie ich dir nun gefallen würde. Was du zu meinem neuen Ich sagen würdest. Ich begehe jeden Tag meinen Weg und mein Leben ohne dich, verschwende keine wertvolle Zeit an dich denkend.Was du nun tust, was du erlebst und wen du liebst, ob du geliebt wirst oder ob du überhaupt noch atmest, all das interessiert mich nicht, denn DU bist schon längst nicht mehr der, den ich geliebt habe. Auch du hast dich verändert, bist gewachsen, verwachsen und so unscheinbar, dass ich mich frage wie ich dich damals mit einem Sonnenschein umrandet sehen konnte. 

Die Uhr tickt. Doch irgendwann, irgendwann holst du mich ein. Bist wieder da, tauchst auf aus der Tiefe meiner Erinnerungen. Meiner verarbeiteten Gedanken, meiner Wünsche und Sehnsüchte. Ich überlege und trauere der Zeit nach, werde wieder jung und unsicher, gehe in mich und versuche dich zu erreichen. Mit all deiner Abwesenheit hältst du mich nah. Ich kann dich nicht vergessen. Immer und überall denke ich an dich, überlege was du mir in meinem Leben lehren solltest, was du mir alles bedeutet hast, wer du wirklich warst und ... was ich für dich war. Ich spinne mir "was wäre wenn"-Geschichten, lache dann und wische all die Erinnerungen mit einer abweisenden Handbewegung weg. Bis zum nächsten Mal. Auf Wiedersehen.

Dienstag, 28. Dezember 2010

Zeitschritte

Irgendwann war deine Hand auf meiner und ich wusste, dass du da bist. Nicht nur neben mir, sondern mit mir. Und von da an waren wir unzertrennlich. Die rot lackierten Fingernägel passten zu deinen braunen Augen, die mich immer wieder scheu ansahen, wenn du etwas wolltest. Und mit der Zeit wurden deine Wünsche größer.

Zuerst war es eine Umarmung, eine zarte Berührung. Irgendwann hast du dich zu mir gelehnt, dich mir entgegengestreckt und wolltest einen Kuss. Es folgten Wünsche wie Romatik und Zeit, gefolgt von Abenden und bald darauf wolltest du von mir eine Zukunft. Du sagtest zwar es wäre unsere und du hast sie dir so schön ausgemalt, sie mir so oft vorgetragen, deine Zukunftsbilder, aber es wäre deine. Ich wusste, dass du auf mir warst. Du fingst an mir den Atem zu nehmen, ich bekam Angst und verlor mich in Gespinsten aus Lügen, Flüchten und meinen Zukunftsorstellungen. In diesen war ich mal frei, mal lief ich von Bar zu Bar, mal hatte ich Frauen an meiner Seite, mit schwarz lackierten Nägeln und rotem Lippenstift, mal war ich in einem fernen Land, dann wieder an deiner Seite.

Irgendwann in einer dunklen Nacht kuschelte ich mich wieder zu dir ins Bett. Du warst bereits eingeschlafen, es war spät. Doch dein Kissen war noch nass und ich war mir doch keiner Schuld bewusst. Du warst traurig und ich noch Schritte hinter dir auf unserem Weg. Ich wusste, dass ich es nicht ändern konnte, sondern dich nur darum bitten deine Schritte zu zügeln um mir die Chance zu geben nachzukommen.
Ich drückte meinen Körper vorsichtig an deinen, spürte deine Wärme. Dein Atmen roch süßlich. Ich sah deine rot lackierten Nägel. Die Farbe war abgeplättert, vielleicht von deinem vielen Nägel kauen. Ich weiß nicht was die Zeit bringt, wie wir den Weg beschreiten. Aber ich weiß, dass ich dich Liebe. Auch wenn du mir eines Tages davonläufst und ich deine Spur verlieren werde.

Freitag, 15. Oktober 2010

Nur ich.

Im Nebel tanze ich
verliere mich
und suche dich.
Im Herbstlaub liege ich
fühle mich
und atme dich.
Im Regen stehe ich
umarme mich
und wein um dich.

Sonntag, 26. September 2010

l i s t e n

Sie hatte es irgendwann verlernt. Es war in Vergangenheit geraten und dann zum Vergessen geleitet worden. Dabei konnte sie es früher wirklich gut. Sie hatte kein besonderes Talent darin, den Menschen zuzuhören, sie machte es einfach. Sie hatte Interesse, heuchelte es nicht mit einem Lächeln und oftmaligen Nicken vor, sondern spürte die Geschichten. Die Ängste ware in dem Moment fühlbar, als sie aus dem Gegenüber sprudelten, machten den Raum düster. Und anstatt von ihrem Wissen, ihren Erlebnissen und Erfahrungen zu berichten, half sie so, wie sie es am Besten konnte. Sie schwieg, sah dem Gegenüber tief in die Augen und hörte zu. Ohne jemals die Geschichten oder Erfahrungen, Gefühle, Wege oder Entscheidungen in Frage zu stellen. 
Sie hatte es irgendwann verlernt, hatte gelernt zu sprechen, ihre Scheu abzulegen. Sie wollte selbst endlich gehört werden und begann zu erzählen. Und vergaß dabei Wort für Wort zuzuhören. Sie überschwappte Leute mit Worten, erzählte farbenfrohe Geschichten und hauchte süßsäuerliche Lügen und Übertreibungen. Dabei blieb sie die Selbe. 
Nach einigen Jahren hatte sie es verlernt. Es war in Vergangenheit geraten und dann zum Vergessen geleitet worden. Dabei konnte sie es früher wirklich gut. Manchmal ertappt sie sich dabei anderen den Vorwurf zu machen ihr nicht zuzuhören. Sie wundert sich und fragt sich wieso Menschen so laut geworden sind, wieso sie so wenig von anderen weiß.  Und sie begann zu verstehen, lernte wieder Wort zu Wort zu hören. Z
uzuhören und zu verstehen, zuzulassen und zu akzeptieren. Lernte zu kommunizieren ohne ungehört zu sein.